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Sehr geehrter Herr Vorsitzender der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, Dr. Christean Wagner,
Sehr geehrter Herr Justizminister, Prof. Dr. Roman Poseck,
Sehr geehrter Herr Präsident Jean-Claude Juncker, lieber Jean Claude,
Sehr geehrter Herr Präsident des Bundes der Vertriebenen Dr Bernd Fabritius,
Sehr geehrter Herr Stadtrat, Dr. Bernd Heidenreich,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Es ist etwas Besonderes, in der Paulskirche zu sein, dem Ort, an dem sich am 18. Mai 1848 die Mitglieder des ersten gesamtdeutschen Parlaments versammelten, um die Verfassung zu verabschieden, die die Grundrechte garantierte und den Grundstein für den deutschen Nationalstaat legte.
Dieses Ereignis, das 175 Jahre zurückliegt, gibt uns auch heute noch die Zuversicht, dass die Freiheit, die Würde des Menschen und die Universalität der Menschenrechte übergeordnete Werte sind.
Dieser ist auch der Geist der dem Franz-Werfel-Preis zugrunde liegt.
Menschenrechte und Menschenwürde sind Schlüsselelemente für ein wahres und substanzielles Engagement der Bürger beim Aufbau von Gesellschaften, die sich durch Freiheit, Demokratie und Solidarität auszeichnen und die fähig sind, dem Wiederaufleben revisionistischer Nationalismen zu widerstehen.
Es ist mir eine besondere Ehre, heute, in diesem symbolträchtigen Gebäude der deutschen Demokratie, den Franz–Werfel-Preis für Menschenrechte entgegenzunehmen.
Vielen Dank für die Anerkennung und Wertschätzung!
Vielen Dank für die schönen Worte, die alle Redner für mich und für mein Land gefunden haben.
Diese Auszeichnung hat eine besondere Bedeutung für mich und für das rumänische Volk, das im Laufe der Zeit ein Modell des Zusammenlebens aufgebaut hat, im Geiste der gelebten europäischen Werte, die von Bürgern die der Mehrheit angehören und von Minderheiten geteilt werden. In jüngster Zeit haben meine Mitbürger auch Mitgefühl und große Hilfsbereitschaft gegenüber denjenigen gezeigt, die, als Folge des von der Russischen Föderation gegen die Ukraine geführten Krieges, aus ihren Häusern vertrieben wurden.
2017, in Berlin, sagte ich in meiner Rede zum Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung: ich wünsche mir, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.
Keiner der hier Anwesenden hätte geglaubt, dass wir im 21. Jahrhundert in Europa eine solche Tragödie erleben würden, wie die die am 24. Februar 2022 entfesselt wurde, als die Russische Föderation ihren brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine begann.
Russland hat systematisch massive und schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begangen, die geahndet werden müssen.
Wir sind leider auch Zeugen eines der schrecklichsten Seiten des Krieges: die Zwangsumsiedlung Tausender von ukrainischen Kindern nach Russland.
Die gegenwärtige Praxis der illegalen Zwangsumsiedlung und Deportation der ukrainischen Bevölkerung durch die Russische Föderation muss gestoppt werden. Und das, einschließlich der Praxis, Kinder aus ihren Familien und Heimen zu entreißen.
Rumänien und die Rumänen sind an der Seite der Ukraine und des ukrainischen Volkes seit Beginn der russischen Aggression. Wie wir es seit dem ersten Tag des Krieges getan haben, werden wir auch weiterhin unseren ukrainischen Nachbarn, die unter diesem ungerechten Krieg leiden, konsequente und multidimensionale Unterstützung anbieten.
Wir handeln auf mehreren Ebenen - politisch, diplomatisch, humanitär, wirtschaftlich, finanziell, sektoral - aber auch mit den Mitteln des Völkerrechts. Wir setzen uns dafür ein, dass die Vertreter der Besatzungsmacht, die in den besetzten Gebieten Verbrechen begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden.
Wir haben beträchtliche institutionelle und finanzielle Ressourcen mobilisiert, um den inzwischen mehr als 4,3 Millionen ukrainischen Flüchtlingen zu helfen, die über unsere Grenzen nach Rumänien gekommen sind. Zurzeit haben sich fast 100.000 ukrainische Bürger entschieden, in Rumänien zu bleiben, darunter sind mehr als 22.000 Kinder.
Rumänien war und ist und bleibt ein gastfreundlicher Nachbar für die ukrainischen Flüchtlinge und stellt ihnen Ressourcen und Dienstleistungen zur Verfügung: Unterkünfte, freien Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeitsmarkt und öffentlichen Verkehrsmitteln.
Sehr geehrte Damen und Herren,
dieser Krieg lässt uns auf schmerzliche Weise das Drama erkennen, mit denen so viele Menschen in verschiedenen Teilen der Welt konfrontiert werden, wenn sie aufgrund von Krieg, Zerstörung und Terror gezwungen sind, aus ihrem eigenen Land zu fliehen und in einem fremden Land Zuflucht zu suchen.
Um sicherzustellen, dass sich solche Verbrechen nie wiederholen, müssen wir gemeinsam gegen jede Form von Rassismus oder Intoleranz aus ethnischen, religiösen oder anderen Gründen eintreten.
Ich bin besorgt über das Wiederaufleben rassistischer, antisemitischer und fremdenfeindlicher Einstellungen und Äußerungen. Wir müssen reagieren, damit solche Handlungen nicht zunehmen.
Geschichte hat gleichzeitig eine erzieherische und moralische Funktion. Die Vermittlung der Geschichte und der Kultur der ethnischen Minderheiten ist der erste Schritt zum Verständnis und zur Achtung der Identität der anderen und somit, zu einem harmonischen Zusammenleben.
Das rumänische Volk hat eine lange Tradition des Zusammenlebens in Toleranz und Harmonie mit allen nationalen Minderheiten – und dieses kann ich persönlich bezeugen, als Angehöriger einer dieser Minderheiten.
Für Rumänien stellen die Angehörigen nationaler Minderheiten nicht nur ein reiches kulturelles Erbe dar, sondern auch einen echten Mehrwert für die Gesellschaft insgesamt.
In den letzten Jahren hat Rumänien ein ausgewogenes System rechtlicher und institutioneller Instrumente entwickelt um Intoleranz zu bekämpfen.
Rumänien ist der Schutz der Rechte der Angehörigen nationaler Minderheiten von herausragender Bedeutung. Die Minderheiten aus Rumänien haben zur kulturellen Vielfalt und zur Modernisierung des Landes beigetragen, und somit auch zur europäischen und euroatlantischen Integration.
Die Deutschen aus Rumänien, wie beispielsweise die Siebenbürger Sachsen, die Banater Schwaben und Sathmarer Schwaben, die Zipser oder die Buchenlanddeutschen, bilden eine wichtige Brücke zwischen unseren Ländern.
Im heutigen internationalen Kontext sind interethnische Verständigung, Interkulturalität und Solidarität wichtiger denn je.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die rumänische Gesellschaft ist heute modern und demokratisch und fördert universelle Werte wie Nichtdiskriminierung, Toleranz und Einheit.
Die Unterstützung und das Mitgefühl, das die Rumänen unseren vom Krieg gezeichneten Nachbarn entgegenbringen, ergänzen das Bild einer Gesellschaft, die die Grundwerte des europäischen Projekts voll und ganz verinnerlicht hat und sie auch in den östlichen Nachbarländern der Union fördert.
Heute sind die Ukraine und die Republik Moldau Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union, auch mit der engagierten Unterstützung Rumäniens. Sie arbeiten mit Überzeugung daran unserer Europäischen Union beizutreten, weil sie unsere gemeinsamen europäischen Werte teilen. Sie gehören zu uns.
Wir müssen auch der jungen Generation den Willen und die Entschlossenheit vermitteln, die Gefahren für Demokratie und Frieden zu erkennen und zu bekämpfen.
Für unsere Gesellschaften und insbesondere für die jungen Generationen ist das Gedenken an die Gräuel der Vergangenheit von außerordentlicher Bedeutung. Erinnerung bedeutet auch, dass wir die Fähigkeit haben, aus der Vergangenheit zu lernen. Nur so können wir hoffnungsvoll auf eine friedliche Zukunft Europas blicken.
Ich danke Ihnen nochmals für die Verleihung des Franz-Werfel-Preises für das Jahr 2023 und versichere ihnen, dass ich mich auch weiter für die Menschenrechte einsetzen werde!
Ich danke meinem Laudator, Herrn Jean-Claude Juncker, der sehr pontiert über mich und über Europa gesprochen hat.
Ich danke Ihnen allen für die schönen Worte und für die Geduld mir zuzuhören.