Prof. Dr. Roman Poseck

Hessischer Minister der Justiz

Grußwort anlässlich der Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises
am 4. Juni 2023 um 12:00 Uhr
- Vertretung MP als Schirmherr -

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr Juncker,
sehr geehrter Herr Dr. Wagner,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Gäste,

ich begrüße Sie ganz herzlich zur heutigen Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises. Herr Ministerpräsident ist Schirmherr dieser Preisverleihung und hat mich gebeten, auch in seinem Namen ein paar Grußworte an Sie zu richten. Dieser ehrenvollen Aufgabe komme ich gerne nach.

Der Name des heute vom Zentrum gegen Vertreibungen zu verleihenden Preises – der Menschenrechtspreis – macht bereits klar, worum es bei dieser Auszeichnung geht. Die Menschenrechte sind eine der größten Errungenschaften der modernen Gesellschaft. Schon in der Virginia Declaration of Rights von 1776, die großen Einfluss auf die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten im selben Jahr hatte, wurden „unveräußerliche“ (engl. unalienable) Rechte der Menschen definiert. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der französischen Nationalversammlung aus dem 1789 griff diese Ideen auf und entwickelte sie weiter.

Auch die deutsche Verfassungsgeschichte hat die Idee der Menschenrechte in der Paulkirchenverfassung von 1849 bereits früh aufgegriffen. Genau hier, in der Paulskirche, versammelten sich am 18. Mai 1848 die Mitglieder des ersten gesamtdeutschen Parlaments, um über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaats zu beraten. Dieses 175. Jubiläum haben wir erst vor kurzem mit einer großen Festveranstaltung an eben diesem Ort gewürdigt.

Die Paulskirche symbolisiert wie kein anderer Ort die Tradition einer demokratischen und freiheitlichen Verfassung für die deutsche Nation. Die hier von der ersten Deutschen Nationalversammlung am 28. März 1849 verabschiedete Reichsverfassung mit ihren Grundrechten des Deutschen Volkes hat die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland von 1949 maßgeblich geprägt. Die im Grundgesetz verbürgten Grundrechte haben die Menschenrechte ganz tief in unserem Rechtsgefüge verankert. Sie bilden bis heute das Leitbild und den Kompass allen staatlichen Handelns.

Menschenrechte sind aber nicht nur Bestandteil nationaler Verfassungen, sie wirken immer auch universell. Deswegen werden sie in einer Vielzahl von Regelungen des Völker- und Europarechts geschützt. Ganz zentral ist dabei die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die am 10. Dezember 1948 – also vor fast 75 Jahren – in Paris verkündet wurde. Auch dieses Jubiläum feiern wir in diesem Jahr. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist ein Ideal, an dem sich die Menschheit orientieren soll. Sie ist damit völlig zu Recht auch Grundlage für den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis.

Das Ideal der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird durch eine Vielzahl an verbindlichen Normen und völkerrechtlichen Verträgen genauer ausgestaltet, insbesondere durch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Diese rechtlichen Grundlagen müssen aber auch von Menschen mit Leben gefüllt werden. Es braucht Frauen und Männer, die sich für den Erhalt und die Durchsetzung der Menschenrechte einsetzen. Denn die Geschichte lehrt uns, dass Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit sind. Sie mussten von unseren Vorfahren unter größten Anstrengungen errungen werden und es ist unsere Aufgabe, sie zu erhalten – weil sie das Wertefundament unserer demokratischen Gesellschaft und unseres friedlichen Zusammenlebens bilden.

Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Russland seit nunmehr fast anderthalb Jahren einen blutigen Krieg in der Ukraine führt, ist der Wert der Menschenrechte noch höher einzustufen. Deutschland ist seiner Verantwortung für die Menschenrechte auch in diesem Krieg gerecht worden, indem es mehr als eine Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat. Das zeigt, wie offen und hilfsbereit unsere Gesellschaft ist. Es zeigt aber auch, wie tief die Menschenrechte nach den Gräueltaten der Nationalsozialisten mittlerweile in der deutschen Gesellschaft verankert sind.

Eine überwältigende Zahl an Menschen setzt sich in ganz verschiedenen Positionen täglich für die Menschenrechte ein – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. All diesen Menschen, die ganz oft sogar ehrenamtlich tätig sind, sind wir zu großem Dank verpflichtet. Es gibt aber immer Menschen, die in ihrem Einsatz für die Menschenrechte ganz besonders hervorstechen. Ich finde es richtig und gut, dass wir diese Menschen auszeichnen und würdigen, für das, was sie tun. Indem wir sie auszeichnen, vergewissern wir uns immer wieder aufs Neue der Bedeutung der Menschenrechte. Daher freut es mich sehr, dass das Zentrum gegen Vertreibungen regelmäßig den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis an Einzelpersonen, Initiativen oder Gruppen vergibt, die durch ihr Handeln das Verantwortungsbewusstsein gegenüber Menschenrechtsverletzungen durch Völkermord, Vertreibung oder die bewusste Zerstörung nationaler, ethnischer oder religiöser Gruppen schärfen.

Diese Preisverleihung reiht sich ein in die Vielzahl der Aktivitäten des Zentrums gegen Vertreibungen, die einen ganz wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Völkerverständigung leisten. Bei all den Aktivitäten des Zentrums steht der Schutz der Menschenrechte im Fokus. Das gilt für die Vielzahl an Ausstellungen des Zentrums, aber auch für die bewegenden Zeitzeugenberichte von Vertriebenen, die das Zentrum gesammelt hat. Es ist unheimlich wichtig, dass das Zentrum gegen Vertreibungen das Schicksal der Vertriebenen immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Denn wer es nicht am eigenen Leib erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, was es bedeutet, seine Heimat zu verlieren. Überstürzt das eigene Zuhause verlassen zu müssen. Zurücklassen zu müssen, was bis dahin unverzichtbar zum eigenen Leben gehörte: Haus und Hof, Bekannte und Freunde, Sprache und Kultur. Innerhalb von Stunden, Tagen oder Wochen finden sich aus Ihrer Heimat vertriebene Menschen in einer vollkommen anderen Umgebung wieder.

Nach Angaben des UNHCR steigt die Zahl der gewaltsam vertriebenen Menschen schon seit vielen Jahren. Weltweit sind derzeit rund 103 Millionen Menschen auf der Flucht. Hinter dieser hohen Zahl verbergen sich genauso viele Einzelschicksale, die ihre Heimat und ihr Zuhause verloren haben. Es ist der große Verdienst des Zentrums gegen Vertreibungen, den Vertriebenen eine Stimme zu geben und ihnen Unterstützung zukommen lassen. Dafür gebührt Ihnen allen unser Dank und unsere größte Anerkennung!

Einer der wesentlichen Säulen der Arbeit des Zentrums ist die Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises. Es freut mich sehr, Sie, sehr geehrter Herr Präsident, als diesjährigen Preisträger willkommen zu heißen. Sie sind bereits seit fast neun Jahren Präsident Rumäniens und haben sich in dieser Zeit ein hohes Ansehen weit über die Landesgrenzen hinaus erworben. Mit großem Einsatz und viel Mut haben Sie Rumänien zu einer proeuropäischen, rechtsstaatlichen Politik geführt. Insbesondere der Schutz von Minderheiten – ein zentraler Pfeiler unserer Demokratie – ist für Sie ein überragend wichtiges Thema.

Aber auch die Unabhängigkeit der Justiz als Fundament des Rechtsstaates stand immer schon ganz oben auf Ihrer politischen Agenda. Sie haben sich in den Jahren 2017 und 2018 aktiv dem Versuch der damaligen rumänischen Regierung widersetzt, die Justiz durch eine Umorganisation zu schwächen und das Korruptionsstrafrecht zu lockern. Im Ringen um die Bewahrung des Rechtsstaates waren Sie stets einer seiner Vorkämpfer.

Auch die europäische Idee – das friedliche Zusammenleben aller Völker Europas – haben Sie mit Ihrer Politik verkörpert wie nur wenige. Sie waren und sind ein Brückenbauer zwischen den west- und osteuropäischen Gesellschaften. Das ist sicherlich auch Ihrer Biografie zu verdanken, da Sie als Angehöriger der rumäniendeutschen Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen selbst einer Minderheit angehören. Ihr herausragendes Engagement für die Völkerverständigung reicht aber weit über die Erfahrungen aus Ihrer Herkunft hinaus.

Auch mit Blick auf Russlands Angriff auf die Ukraine haben Sie, sehr geehrter Herr Präsident, immer die richtigen Worte gefunden. Sie haben immer wieder betont, dass Russland der Aggressor in diesem Krieg ist und dass die internationale Gemeinschaft in der Pflicht steht, die Ukraine nach besten Kräften zu unterstützen. Diesen Worten haben Sie und das rumänische Volk auch Taten folgen lassen. Seit Ende Februar 2022 flohen rund 3,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer nach Rumänien. Hier fanden sie erste Hilfe, um von dort aus in andere Staaten der EU oder wieder zurück in die Ukraine zu reisen. Auch heute noch versorgt Rumänien eine Vielzahl von Flüchtlingen aus der Ukraine. Das ist eine große humanitäre Geste, die zeigt, welch hohen Stellenwert der Schutz der Vertriebenen für Sie, sehr geehrter Herr Präsident, und für das gesamte rumänische Volk hat.

Für Ihren besonderen Einsatz für die Menschenrechte erhalten Sie heute den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis. Dafür gratuliere ich bereits jetzt und wünsche Ihnen von ganzem Herzen weiterhin viel Erfolg auf Ihrem Weg!

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