Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2014

Erika Steinbach

Rede zur Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises am Sonntag, 02. November 2014 an den Regisseur Rick Ostermann

Herzlich Willkommen meine Damen und Herren zur Verleihung des Franz- Werfel-Menschenrechtspreises der Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN der Deutschen Heimatvertriebenen.

Besonders begrüße ich den Hausherrn für den Magistrat der Stadt Frankfurt, Herrn Stadtrat Markus Frank. Das ist eine gute Gelegenheit, mich für Ihr Engagement für unsere Stiftung zu bedanken.

Es freut mich, dass der Fraktionsvorsitzende der Hessischen CDU- Landtagsfraktion Herr Michael Boddenberg und der Vorsitzende der CDU- Stadtverordnetenfraktion Frankfurts, Herr Michael zu Löwenstein anwesend sind.

Für die Jury zur Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises begrüße ich sehr herzlich unseren Laudator, Herr Professor Klaus Hänsch und mit besonderer Freude heiße ich unseren diesjährigen Preisträger – den Regisseur Rick Ostermann willkommen.

Dem Bläsertrio danke ich für die wunderbare musikalische Umrahmung.

Der BdV hat als Signal, dass die Deutschen Heimatvertriebenen sich nicht im eigenen Schicksal vergraben, sondern an der Seite aller Vertriebenen stehen, im Jahr 2000 die Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN gegründet.

Den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis hat unsere Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN erstmals im Jahr 2003 verliehen. Preisträger war damals Dr. Mihran Dabag für sein Engagement, den Genozid an den Armeniern und den anderen christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich 1915 in das Bewusstsein zu rücken. Nicht wenige glaubten damals, dass es allein eine historische Aufgabe sei.

Im nächsten Jahr sind 100 Jahre seit diesem schrecklichen Massenmorden vergangen. In unserem oft naiven Wohlstands-Europa konnten wir uns nicht vorstellen, dass sich solches Grauen jederzeit wiederholen könnte.

Wenn nun heute unser Blick in den Nahen Osten und in den arabischen Raum oder nach Afrika geht, verstummen einem fast die Worte vor dem Entsetzlichen, was dort geschieht.

Die Gewaltexzesse der menschenverachtenden Terrormiliz „Islamischer Staat im Irak“ und sogar darüber hinaus, der Bürgerkrieg in Syrien, die Massaker im Süd Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik machen fassungslos.

Die Triebkraft der Gewalt ist in diesen Gebieten weitgehend religiöser Fanatismus. Samuel Huntingtons These von einem Kampf der Kulturen als neue Bruchlinie und Hauptursache für Konflikte und für politische Instabilität scheint sich in diesen Regionen erschreckend zu bestätigen.

Ist aber bereits auch in Deutschland am einsickern. Das dürfen wir nicht übersehen.

Mit Beklemmung müssen wir erkennen, dass Vertreibung keine Vokabel von gestern ist; Vertreibung stellt vielmehr eine wachsende Herausforderung für die ganze Weltgemeinschaft dar.

Weltweit sind mehr als 51 Millionen Menschen auf der Flucht. Dieses Elend lässt sich auch bei noch so gutem Willen nicht hier bei uns in Deutschland durch die Aufnahme von Flüchtlingen beheben. Selbst wenn wir es wollten: Es wäre nicht möglich. Es lässt sich auch nicht in Europa beheben.

Mache sich keiner etwas vor: Dafür gibt es keine tragfähige Akzeptanz der Bürger. Deshalb müssen wir nüchtern begreifen: Das satte und bequeme Europa wird früher oder später überrollt werden und aus den Fugen geraten, wenn wir nicht gemeinsam versuchen, die Brandherde zu löschen

– mit allen unseren Möglichkeiten, insbesondere aber durch Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort und – das füge ich auch hinzu – als Ultima Ratio auch mit dem Einsatz von Sicherheitskräften, um zu stabilisieren.

Das trifft in weiten Teilen unserer Bevölkerung nicht auf große Zustimmung. Ich höre das, und Sie hören das wahrscheinlich auch: Sätze fallen wie: Was geht uns das eigentlich an? Was haben wir da verloren?

Dem müssen wir mit allem Engagement entgegenhalten: Wenn wir unsere Demokratie und unsere Werte bewahren wollen, dann führt kein Weg daran vorbei, den Millionen Flüchtlingen vor Ort mit allen Möglichkeiten, die uns geboten sind, zur Seite zu stehen. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn Deutschland, wenn Europa, wenn die demokratischen Staaten dieser Welt nicht gemeinsam alles tun, um dieses massenhafte Elend am Entstehungsort einzudämmen und zu lindern, dann werden wir früher oder später bei uns hier im Lande selbst die Folgen zu spüren bekommen.

Und es wird keine einzige Mauer geben – und sei sie noch so hoch –, die imstande wäre, verzweifelte Bürgerkriegs- und Armutsflüchtlinge abzuhalten. Es wird auch kein Meer geben – und sei es noch so breit –, das hindernd wirken könnte. Die pure Not wird Menschen hierhertreiben, wenn wir nicht alles tun, um Linderung am Entstehungsort zu verschaffen.

Das zentrale Ziel jedweder Menschenrechtspolitik der Völkergemeinschaft muss die Durchsetzung des Heimatrechts der Minderheiten sein. Wir müssen also vor allem vor Ort helfen, um den Menschen dort eine Perspektive zu geben, damit die jahrhundertealten religiösen und kulturellen Traditionen bewahrt werden können. Alles andere würde den Terroristen mit ihren Vertreibungen und ihrer perfiden Strategie in die Hände spielen. Das können, das dürfen wir nicht wollen.

Auch die Repräsentanten der irakischen Minderheiten im Lande selbst und hier bei uns in Deutschland sehen das so und fordern, dass Jesiden und Christen in ihrer angestammten Heimat eine Zukunft haben müssen.

Am hilflosesten in solchen Konflikten sind die Kinder. Leila Zerrougui, die Sonderbeauftragte für Kinder und bewaffnete Konflikte des UN- Generalsekretärs, hat einen erschütternden Bericht über die Geringschätzung des menschlichen Lebens durch extremistische Gruppen wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gegeben. Danach sind im Irak seit Jahresanfang bis zu 700 Kinder getötet oder verstümmelt worden, auch in standrechtlichen Hinrichtungen. Wir mögen es uns nicht vorstellen.

Mit dem diesjährigen Preisträger ehren wir einen Mann, der sich des Schicksals von Kindern angenommen hat. Es sind Kinderschicksale aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Die Jury des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises würdigt mit der Preisverleihung den Regisseur und Drehbuchautor Rick Ostermann für dessen Drama "Wolfskinder". Anrührend, feinfühlig und gleichermaßen ausdrucksstark thematisiert dieser Film das erschütternde Schicksal dieser Kinder. In den Wirren zum Ende des Zweiten Weltkrieges verloren tausende Kinder ihre Eltern und Familien. Entwurzelt und ohne jegliche Fürsorge mussten sie vor der heranrückenden Roten Armee fliehen. Auf sich allein gestellt wurden ihnen Entscheidungen abverlangt, die niemals ein Kind sollte treffen müssen. Der tägliche Überlebenskampf raubte ihnen die Kindheit.

Dem 1978 geborenen Rick Ostermann gelingt es beeindruckend, das Schicksal dieser elternlosen ostpreußischen Kinder, „Wolfskinder“ wie sie genannt werden, in seinem Spielfilm umzusetzen. Gewalt und Tod, aber auch Freundschaft und Zusammenhalt zeigt er vor der gewaltigen Kulisse der nahezu unberührten Natur Ostpreußens und Litauens.

Mit der diesjährigen Preisverleihung macht die Jury auf die ungebrochene Aktualität dieser außergewöhnlichen, doch tausendfach erlittenen Geschichte aufmerksam: auf die Schicksale von Kindern in den weltweiten Kriegsgebieten. Es sind die Kleinsten, die oftmals das größte Leid – Flucht, Vertreibung, Entwurzelung - für sich alleine zu ertragen haben.

Einstimmig hat sich die Jury für Rick Ostermann und seinen tief berührenden Film entschieden.

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