Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2012

Uwe Becker Stadtkämmerer der Stadt Frankfurt am Main

Grußwort von Stadtkämmerer Uwe Becker anlässlich der Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises an Herrn Prof. Dr. Karl Schlögel am Sonntag, 28. Oktober, um 12 Uhr in der Paulskirche

Sehr geehrte Frau Steinbach,
Sehr geehrter Herr Schmid,
Sehr geehrter Herr Prof. Schlögel,
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, Ihnen zur Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises die offiziellen Grüße des Frankfurter Magistrats und der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung überbringen zu können.

Aus dem Geist der Versöhnung mit den Nachbarvölkern Deutschlands wurde im Jahr 2000 die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ gegründet.

Und es ist Ihr ganz persönlicher Verdienst, sehr geehrte Frau Abgeordnete Steinbach, dass die Stiftung zu einem wichtigen Instrument geworden ist, das geschehenes Unrecht dokumentiert, das sich um die Schicksale der Menschen kümmert, ihre Integration in ein jeweils neues Umfeld beleuchtet und als grundsätzliche Mahnung jegliche Vertreibung und den Genozid an anderen Völkern ächtet und dies gegenüber der Politik deutlich zum Ausdruck bringt.

Ihre Stiftung engagiert sich über das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen hinaus in einer europäischen und zugleich in grundsätzlicher Dimension.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Heimat, wie dies auch 1950 in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen festgehalten wurde.

Und kein Mensch hat das Recht, eben jenes Grundrecht anderen zu nehmen, sie aus ihrer Heimat zu vertreiben, ihre Wurzeln zu zerschlagen oder gar körperliches Leid zuzufügen.

Vertreibung ist Unrecht. Auch wenn sich im jeweiligen historischen Kontext häufig vermeintlich erklärbare Begründungsmuster ergeben, bleibt sie Unrecht.

Während es keine Relativierung etwa von nationalsozialistischem Terror geben darf, von dem millionenfachen Unrecht und Leid, dem unermesslichen Grauen einer beispiellosen, staatlichen Tötungsmaschinerie, wie sie im zweiten Weltkrieg von deutschem Boden aus gerade gegenüber unseren Nachbarstaaten verübt, aber auch an Millionen Deutschen und Europäern jüdischen Glaubens verbrochen worden ist, so darf das Unrecht der Vertreibung etwa auch der Millionen Deutschen aus ihrer Heimat nicht alleine als quasi selbstverständliche Folgewirkung selbst relativiert werden.

Unrecht ist Unrecht.

Und gerade aus den eigenen Erfahrungen unseres Landes mit verbrecherisch begangenem Unrecht und dem erfahrenen Unrecht erwächst umso mehr Auftrag und Verpflichtung, uns engagiert gegen jegliche Form der Verletzung von Menschenrechten, gegen Vertreibung und Genozid, bereits aber auch schon gegen Extremismus, Antisemitismus und Diskriminierung in ihren frühen Stadien auszusprechen, dagegen aufzustehen und sich dagegen zu engagieren.

Das Eintreten für die Einhaltung der Menschenrechte ist elementarer Bestandteil politischen und gesellschaftlichen Handelns.

Gleichsam sind Aussöhnung und Versöhnung wichtige Schritte, um aus den Wunden der Vergangenheit neue Zukunft entstehen zu lassen, gerade mit Blick auf ein sich weiter vereinigendes Europa.

Dies tun Sie mit Ihrer Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“.

Und Frankfurt ist froh, Patengemeinde Ihrer Stiftung zu sein.

Und Sie haben es sich zur Aufgabe gesetzt, Menschen auszuzeichnen, die sich im Besonderen gegen die Verletzung von Menschenrechten durch Völkermord, Vertreibung  und die bewusste Zerstörung nationaler, ethnischer oder religiöser Gruppen gewandt haben bzw. wenden.

So wie der Schriftsteller Franz Werfel, nach dem dieser Preis benannt wurde.

Franz Werfel hat nicht nur mit seinem Roman „Die 40 Tage des Musa Dagh“, in dem er die Vertreibung und den Völkermord an den Armeniern sehr eindringlich und wirkungsvoll dargestellt hat, ein bedeutendes Werk gegen die Verletzung der Menschenrechte für die Nachwelt geschaffen, er war auch in seinem persönlichen Leben zur Zeit des Nationalsozialismus selbst davon betroffen.

Dieses Unrecht und Leid, das er damals erlitten hat, kann nicht wieder gut gemacht werden, aber dieser Preis trägt dazu bei, dass uns allen immer wieder bewusst wird, dass wir die Pflicht haben, die Menschenrechte zu verteidigen und gegen deren Verletzung zu kämpfen.

Der Ort für diese Preisübergabe konnte nicht besser gewählt werden. Die Paulskirche gilt als Wiege der Deutschen Demokratie.  Wie kaum ein anderer Ort in Deutschland ist sie Symbol für Freiheit und Demokratie, der Grundlage für Menschenrechte und deren Einhaltung.

Hier wurden 1848 zum ersten Mal die Grundrechte des deutschen Volkes verkündet wie z. B.  Gleichheit vor dem Gesetz, Pressefreiheit, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit und die Versammlungsfreiheit.

Auch wenn diese Verfassung nicht lange Bestand hatte, brachte auch diese Erklärung der Grundrechte neue Impulse im Denken der Menschen. Heute sind diese Rechte in den Artikeln unseres Grundgesetzes gewahrt und sind die Grundlage für unseren freiheitlich demokratischen Rechtsstaat.

Der diesjährige Preisträger ist der Historiker Professor Dr. Karl Schlögel. Professor Schlögel, der als Professor für Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder lehrt, gilt als herausragender deutscher Osteuropa-Experte. Die Wechselwirkungen, Verflechtungen aber auch Brüche der ostmitteleuropäischen und der deutschen Geschichte finden sich in seinen Werken ebenso wieder, wie die Betrachtung des Stalinismus und die Geschichte der Zwangsmigration.

Ein Blick auf sein bisheriges Werk und die Auszeichnungen, die er bisher erhalten hat, mach deutlich, dass die Jury für die heutige Ehrung die beste Wahl getroffen hat.

Ich gratuliere dem Preisträger und wünsche der Stiftung auch weiterhin ein engagiertes und erfolgreiches Wirken.

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