Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2010

Staatsminister Bernd Neumann

Grußwort von Staatsminister Bernd Neumann anlässlich der Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises an den tschechischen Regisseur und Dokumentarfilmer David Vondracek am 28. November 2010 in der Frankfurter Paulskirche

Das Grundgesetz stellt im Artikel I die schrankenlose Achtung und den Schutz der Menschenwürde bewusst an die Spitze. Das deutsche Volk bekennt sich zur Unverletz­barkeit und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Auf diesen Artikel, der gemeinsam mit den im Grundgesetz folgenden Grundrechten Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht bindet, können wir stolz sein. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben mit diesen Formulierungen sowohl auf das unmittelbar zurückliegende verbrecherische NS-Regime und der von diesem ausgelösten Katastrophe des Zweiten Weltkrieges reagiert als auch eine dauerhaft tragfähige Grundlage für unseren freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat geschaffen.

Zugleich sind diese Sätze Mahnung und Maßstab angesichts weltweit fortwährender Menschenrechtsverletzungen. Völkermord, Vertreibung und die bewusste Zerstörung nationaler, ethnischer, rassischer oder religiöser Gruppen wurden und werden als Mittel gewalttätiger Politik eingesetzt. Sie zu ächten und aktiv gegen sie vorzugehen, gehört zu den unverrückbaren Grundlinien deutscher Politik. Um bei dieser Aufgabe erfolgreich zu sein, bedarf es aber auch des bürgerschaftlichen Engagements, das dem Geist der "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" folgt, mit der bereits vor 60 Jahren ein überzeugendes Dokument der Versöhnung und Verständigung vorgelegt wurde.

Deshalb bin ich besonders dankbar, dass die Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen seit 2003 den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis vergibt, der EinzeIper­sonen, Initiativen und Gruppen ehrt und fördert, die sich in besonderer Weise um die Grundlagen eines menschenwürdigen Zusammenlebens und damit auch unseres Staates verdient gemacht haben.

Der diesjährige Preisträger des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises ist der tschechische Regisseur David Vondracek. Sein Dokumentarfilm "Töten auf Tschechisch" basiert auf originalem, privatem Filmmaterial und zeigt u.a. die Erschießung zahlreicher deutscher Zivilisten in Prag kurz nach Kriegsende. Seine eindringlichen Bilder verschließen sich jeder Relativierung und berühren besonders durch ihre dokumentarische Distanz.

Damit hat David Vondracek ein in Tschechien wie in Deutschland brisantes Thema mutig aufgegriffen und in die mediale Öffentlichkeit gebracht. Dabei war er sich bewusst, dass ihm nach der Ausstrahlung seines Films möglicherweise nicht nur Sympathien entgegen gebracht würden. Sein Film dient aber nicht der Aufrechnung der schrecklichen Ereignisse. Vondracek folgt vielmehr konsequent der schlichten Erkenntnis, dass nur die Wahrheit zum Miteinander führen kann, wie es das diesjährige Leitwort des Bundes der Vertriebe­nen zu Recht formuliert. Dauerhafte und tragfähige Verständigung kann nur wachsen, wenn wir den Satz des polnischen Publizisten Jan Jozef Lipski beherzigen: "Wir müssen uns alles sagen". Dazu hat David Vondracek, der diesjährige Preisträger des Franz-Werfel-­Menschenrechtspreises, einen wichtigen Beitrag geleistet, für den ich ihm meinen Dank ausspreche.

Das Leid, das der jüdische Schriftsteller Franz Werfel durch Ächtung und Vertreibung erlitten hat, kann nicht wieder gut gemacht werden. Aber der Preis, der in seinem Namen vergeben wird, kann dazu beitragen, dass wir alle uns immer wieder bewusst machen, dass die Würde des Einzelnen und seine Freiheit in demokratischen Staaten höchste Güter sind, die es wert sind, mit Nachdruck verteidigt zu werden. Dem diesjährigen Träger des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises spreche ich meinen herzlichen Glückwunsch aus und wünsche ihm weiterhin viel Erfolg in seinem cineasti­schen Schaffen.

Bernd Neumann, MdB

Staatsminister bei der Bundeskanzlerin

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