Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2007

Erika Steinbach MdB Vorsitzende der Stiftung

Rede zur Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises am 17. Juni 2007 an den Schriftsteller György Konrad

Zum dritten Male verleiht die Stiftung ZENRUM GEGEN VERTREIBUNGEN (ZgV) ihren Franz-Werfel-Menschenrechtspreis in der Frankfurter Paulskirche.

Auch in der neuen schwarz/grünen Magistratskonstellation dürfen wir Gast in diesem würdigen Hause sein. Und das gleich in doppelter Weise. Nicht nur für unsere Preisverleihung am heutigen Vormittag sondern für vier ganze Wochen, um unsere Ausstellung „Erzwungene Wege“ der Öffentlichkeit in Frankfurt zugänglich zu machen.

Herzlichen Dank dafür.

Ich danke dem Ministerpräsidenten des Landes Hessen, dass er auch für die diesjährige Preisverleihung wiederum die Schirmherrschaft übernommen hat. Aber nicht nur das: Zu Pfingsten, dem „lieblichen Fest“ wie es so schön einleitend in Goethes Reinecke Fuchs heißt, hat Ministerpräsident Koch verkündet, dass Hessen Pate unserer Stiftung wird und der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber schloss sich ihm für sein Bundesland an.

Damit hat die Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN nicht nur mehr als 400 Städte und Gemeinden als Paten, auch Frankfurt a. M. gehört dazu, sondern erstmals auch zwei Bundesländer.

Am heutigen Vormittag begrüße ich sehr herzlich unsere Ehrengäste: Den Frankfurter Kulturdezernenten Prof. Dr. Felix Semmelroth,

Herrn Landtagspräsidenten Norbert Kartmann, der mit etwas Verspätung eintreffen wird,

die Vertreter des Hessischen Landtages und der Landesregierung

sowie die Mitglieder der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats,

die Mitglieder der Jury zur Verleihung unseres Preises, die Vertreter des Bundes der Vertriebenen,

die Vertreter des Diplomatischen Corps und hierbei aus gegebenem Anlass den Generalkonsul der Republik Ungarn, Herrn Gyula Bélai

sowie natürlich alle hier Anwesenden.

Ein besonderer Gruß gilt unserem diesjährigen Preisträger, Ihnen lieber, verehrter Prof. Konrád und unserem Laudator, Ihnen, lieber Herr Milan Horáček.

Mehr als 30 Völker Europas haben im 20. Jahrhundert in Europa und seinen Grenzgebieten als Ganzes oder in Teilen ihre Heimat verloren.

Die Idee ethnisch homogener Nationalstaaten ist eine der Hauptursachen für Vertreibungen ethnischer Gruppen oder Minderheiten im 20. Jahrhundert.

Nicht wenige Nationen stellten im Kontext der Vertreibungen sowohl Opfer als auch Täter, zeitlich versetzt oder sogar gleichzeitig.

Unsere Stiftung, gegründet von deutschen Heimatvertriebenen, will die Vertreibungsopfer des 20. Jahrhunderts der Vergessenheit entreißen. Wir wollen ihnen Fürsprecher sein und wir wollen couragierte Männer und Frauen auszeichnen, die Fürsprecher für die Schwächsten in den Verwerfungen der Geschichte waren.

Mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis können Persönlichkeiten ausgezeichnet werden, die sich insbesondere gegen die Verletzung von Menschenrechten durch Völkermord, Vertreibung oder bewusste Zerstörung nationaler, ethnischer oder religiöser Gruppen gewandt haben.

Grundlage für die Beurteilung sind:

Wer in diesem Sinne beispielgebend politisch, künstlerisch, philosophisch oder durch praktische Leistungen gewirkt hat, kann mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis ausgezeichnet werden.

Vor zwei Jahren war Bischof Dr. Franjo Komarica aus Bosnien-Herzegowina unser Preisträger.

Heute haben wir mit György Konrád einen ungarischen Preisträger.

Darauf haben wir uns natürlich selbst mit unserer musikalischen Umrahmung eingerichtet. Mit György Ligeti haben wir nicht nur einen ungarischen Komponisten, sondern sogar einen Namensvetter „György“ aufgeboten.

Zudem ist unsere Wanderausstellung, die am Ende der Preisverleihung durch den Herrn Landtagspräsidenten eröffnet wird, im Verhältnis zu unserer Berliner Fassung im ungarischen Teil um wesentliche Aspekte erweitert worden.

Die Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN hat seit ihrer Gründung im Jahr 2000 die Diskussion und die öffentliche Wahrnehmung nachhaltig belebt. Sie hat dazu beigetragen, festgefügte Feindbilder abzubauen und Menschen für das Thema Vertreibung, eines der deutschen Schicksalsthemen, zu interessieren und sich auch dafür zu engagieren.

Ohne unsere Stiftung hätte die Bundesregierung wohl nicht die Koalitionsvereinbarung getroffen, in Berlin ein „sichtbares Zeichen“ zu Flucht und Vertreibung zu errichten.

Es ist gut, wenn der Staat erkennt, dass die Umsetzung einer sochen Gedenk- und Dokumentationsstätte eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und damit des staatlichen Engagements bedarf.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Vertreter der Opfer sich dabei mit einbringen und das ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN und der Bund der Vertriebenen an den Planungen maßgeblich beteiligt werden.

Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte anlässlich unserer Ausstellungseröffnung im Berliner Kronprinzenpalais:

„Es wäre unsinnig, eine solche Kultur der Erinnerung ohne die Betroffenen entwickeln und pflegen zu wollen“.

Joachim Gauck hat im vorigen Jahr in seiner bemerkenswerten Rede am selben Ort, bezogen auf die deutschen Vertriebenen, deutlich gemacht:

„Es ist nicht normal oder sagen wir es genauer: Es ist weder den Psychen der Beteiligten angemessen noch der Vernunft förderlich, wenn derartige Verluste, wenn Traumata dieser Größenordnung nicht im kollektiven Gedächtnis der Nation aufbewahrt werden“.

Das Bewusstsein, dass die Vertreibung in dieses kollektive Gedächtnis unserer Nation gehört ohne, dass deshalb das Leid anderer Opfer marginalisiert würde, dieses Bewusstsein ist durch unsere Stiftung geschärft worden.

Ihr engagierter Vortrag, lieber Herr Professor Konrad, an der Viadrina Universität in Frankfurt an der Oder am 13. November 1998, in dem Sie leidenschaftlich Vertreibungen verdammten und ihr Mitgefühl für die Opfer deutlich machten hat mich damals tief beeindruckt – genauso wie meine erste persönliche Begegnung mit Ihnen vor vielen Jahren in der Akademie der Künste in Berlin.

Mit der heutigen Preisverleihung ehren wir einen Mann, der maßgeblich zu einer offenen Vertreibungsdebatte beigetragen hat.

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