Stadtrat Prof. Dr. Felix Semmelroth

Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2007

Stadtrat Prof. Dr. Felix Semmelroth Kulturdezernent der Stadt Frankfurt

Begrüßung

Anrede,

"Wenn kühnes Denken in provinzieller Verdrossenheit versinkt, wenn die wechselnden geistigen Moden die Argumente für eine europäische Integration verschlissen haben, betreten die Wortführer einer nationalen Separation die Bühne, und der alte Wahnsinn greift von neuem um sich."

Diese warnenden Sätze stammen von dem diesjährigen Preisträger des
Franz-Werfel-Menschenrechtspreises, György Konrád, einem der unbestritten großen Intellektuellen der Gegenwart. Aber auch einem nicht minder großen Europäer, der aus fundierter Kenntnis der europäischen Geschichte und aus eigenen, leidvollen Erfahrungen mit Diktatur und Terror um den Wert eines friedlichen und demokratischen Europas weiß.

György Konrad, 1933 im ungarischen Debrecen nahe der rumänischen Grenze geboren, verlor einen großen Teil seiner Verwandtschaft durch die nationalsozialistische Judenverfolgung.

Er selbst überlebte nur knapp.

Als er Ende der sechziger und im Laufe der siebziger Jahre seine ersten literarischen und essayistischen Werke veröffentlichte, begannen die Repressionen durch das kommunistische Regime in Ungarn.

Bis zum Ende des Kommunismus führte er ein Leben zwischen wachsender Anerkennung im Westen und Publikumsverbot in Ungarn, zwischen
Stipendien und Preisen einerseits, Samisdat-Produktion und Schikanen andererseits.

Mit dem Jahr 1990 wurde aus dem Europäer der Vision ein realer Europäer, der allerdings nie die Vision vergaß oder gar der praktischen Politik opferte und
zwar weder als Präsident des Internationalen PEN-Clubs noch als Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Künste.

Hier, an diesem Ort erhielt György Konrad 1991 in Anerkennung seines Denkens und Schreibens, das sich von Beginn an auf "die Überwindung der aus dem zweiten Weltkrieg resultierenden Teilung" gerichtet habe, den Friedenspreis.

Ein zivilgesellschaftliches Europa, das ist ohne Zweifel Konrads Generalthema, sein Leitmotiv und seine Passion.

Die Literatur ist ihm ein Medium der immateriellen, geistigen Verständigung, aus dem sich eine weitaus differenziertere Form des Austausches entwickeln lässt als sie wohl je auf politischer Ebene zu realisieren sein wird.

Ohne missverstanden zu werden, aber vielleicht liegt in der zwar habsburgisch dominierten, aber dennoch respektierten sprachlichen wie kulturellen Vielfalt der KuK-Doppelmonarchie ein Moment von Idealität.

Ob im Caféhaus in Wien, in Prag oder in Budapest: für seine Besucher blieb der intellektuelle Austausch ungestört durch sprachliche Barrieren oder Simultanübersetzungen.

Wären sich Franz Werfel und György Konrad jemals im Café Landtmann am Wiener Ring begegnet, hätten sie sich nicht nur viel zu sagen gehabt, sondern hätten das sicher in der pointierten und luziden Form gekonnt, wie wir sie von Konrad heute noch kennen. Der Namensgeber für den heute zu vergebenden Franz-Werfel-Preis und der diesjährige Preisträger, György Konrad, jedenfalls sind geprägt von dieser Multilingualität der Donaumonarchie, die ihr sprachlich-literarisches Vermögen geschärft und nuanciert hat.

Was es sei, fragt Konrad, was Europa zusammenhalte und er antwortet so:
"In erster Linie die Kultur und ihre Künstler. Kapital und Wissenschaft lächeln der Zukunft zu, strömen ihr entgegen, wie immer es ihnen möglich ist. Die Bindung der Menschen an die Vergangenheit, an ihren Wohnort aber geschieht durch die Kunst".

Sehr geehrter Herr Konrád, ich gratuliere Ihnen sehr herzlich im Namen der Stadt Frankfurt am Main zur Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises des Jahres 2007.

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